4. Platz bei SailBot in Amerika
Nach über einem Jahrzehnt ist das Sailing Team Darmstadt dieses Jahr auf die internationale Wettkampfbühne zurückgekehrt. Auf der 16. Ausgabe der International Robotic Sailing Regatta (SailBot) haben wir uns am Lake Attitash in Massachusetts, USA, mit acht anderen Teams in verschiedenen Disziplinen wie Geschwindigkeit, Manövrierfähigkeit und autonomer Navigation gemessen. Mit fünf Teammitgliedern und unserem dritten Prototypen, Marlin, sind wir angereist. Marlin wurde primär als Plattform zum Testen unserer Software entwickelt, da dies auf unserem großen Boot immer schwierig ist. Durch seine kompakte Größe eignet sich Marlin jedoch auch hervorragend für den Transport über den Atlantik.
Anreise und erste Eindrücke
Unsere Reise begann mit dem Airliner vom Darmstadtium zum Flughafen Frankfurt. Von dort ging es über Reykjavik nach Boston. Mitten in der Nacht kamen wir endlich in unserem Airbnb in New Hampshire an, nur um festzustellen, dass wir vor einer geschlossenen Tür mit einem falschen Türcode standen. Nachdem wir endlich Internetzugang hatten, erfuhren wir, dass es einen neuen Code gegeben hatte. Am nächsten Morgen planten wir, zuerst einkaufen zu gehen und dann alles für den am nächsten Tag startenden Wettkampf vorzubereiten, doch ein platter Reifen verzögerte unsere Pläne erheblich. Unser Apartment lag in einer schönen Gegend mit kurzen Laufwegen zum Strand in zweiter Reihe zum Meer und nur eine halbe Stunde vom Austragungsort der SailBot entfernt.
Sonntag: Ankommen und Aufbau
Am Sonntag waren wir dann zum ersten Mal am Wettkampfort, am Lake Attitash und begannen sofort damit, unser Boot auszupacken und aufzubauen. Wir wurden von den anderen Teams sehr freundlich empfangen und erhielten Angebote für alle möglichen Werkzeuge und Hilfsmittel – eine große Hilfe, da wir das einzige Team von der anderen Seite des Atlantiks waren. Glücklicherweise hatte unser Transport reibungslos funktioniert, im Gegensatz zu einigen anderen Teams, deren Boote noch nicht geliefert worden waren.
Es stellte sich heraus, dass unser Boot Marlin das kleinste im Wettbewerb war, doch diese Tatsache förderte unseren Kampfgeist. Am Abend trafen sich alle Teams zum einem Willkommensgrillen direkt am „The Custom House Maritime Museum“ in Newburyport, MA statt. Dieses Museum, ursprünglich 1835 als Zollhaus erbaut, ist heute ein Zentrum für maritime Geschichte und zeigt zahlreiche Artefakte aus Newburyports Zeit als bedeutendes Schiffbau- und Handelszentrum. Newburyport spielte eine zentrale Rolle in der Schifffahrtsgeschichte der USA und ist zudem die Geburtsstätte der US-Küstenwache. Die Gelegenheit, uns gegenseitig kennenzulernen, uns mit den anderen Teams auszutauschen und die entspannte Atmosphäre zu genießen, rundete unseren ersten Tag perfekt ab.
Montag: Fleet Race
Die erste Disziplin des Wettkampfes war das Fleet Race. Hierbei müssen alle Boote gleichzeitig auf dem Wasser starten und eine rund 400 Meter lange Strecke um Bojen fahren – gesteuert per Fernbedienung. Eine besondere Herausforderung war das Kreuzen gegen schwachen Wind auf dem ersten Streckenabschnitt mit dem alle Boote zu kämpfen hatten. Nach etwa einer Stunde erreichten wir als drittes Team das Ziel und waren damit auch das letzte Boot, das es überhaupt schaffte.
Während der Tests in Deutschland waren wir wohl etwas zu optimistisch, was die Dichtigkeit unseres Bootes anging. Der Druckverschluss, der unter den Bedingungen am See mit mehr Wind und Wellen nicht standhielt, ließ Wasser eindringen. Beim Probedurchlauf vor dem zweiten Rennen drang so viel Wasser in das Boot ein, dass es fast sank und nur durch das Eingreifen des Event-Leiters von einem Motorboot aus vor dem Untergang gerettet werden konnte. Unser Boot war danach erstmal nicht mehr einsatzbereit.
Glücklicherweise handelte es sich um ein RC-Rennen, sodass viele der technischen Komponenten nicht angeschlossen waren und somit unbeschädigt blieben. Die betroffene Technik konnte durch Trocknen und Reinigen wieder funktionsfähig gemacht werden. Am Abend gingen wir auf direktem Weg in einen Baumarkt, um Dichtungsmaterial zu kaufen und die Probleme für die kommenden Wettkampftage zu beheben. Im Nachhinein ärgern wir uns natürlich am meisten darüber, dass niemand ein Video vom fast sinkenden Boot gemacht hat.
Dienstag: Station Keeping & Precision Race
Wie es oft der Fall ist, traten mehr Probleme auf als erwartet, und wir mussten uns mit einigen Quick-and-Dirty-Lösungen behelfen. Beispielsweise weigerte sich unser GPS, zu funktionieren, sodass wir auf ein Backup zurückgreifen und ein Handy ins Boot legen mussten, um die Position per WiFi zu übertragen. Insgesamt kann man sagen: German Engineering = Panzertape und Kabelbinder.
Nachdem alles vorbereitet war und wir endlich wieder aufs Wasser konnten, machten wir zunächst einen Testlauf für die „Station Keeping“ Aufgabe. Hierbei geht es darum fünf Minuten lang in einem Bereich von 40 auf 40 Metern zu bleiben und diesen danach innerhalb von 30 Sekunden so schnell wie möglich zu verlassen. Unser Boot bestand die Aufgabe direkt voll autonom, was nach all den Rückschlägen ein riesiger Motivationsschub war. Beim Start eines weiteren Versuchs löste sich jedoch ein Teil, und das Hauptsegel konnte nicht mehr kontrolliert werden – zum Glück ein einfach zu behebendes Problem. Danach ging es in eine gewertete Runde. Bei etwas stärkerem Wind schaffte es unser Boot nicht eine Wende zu machen, und fuhr aus dem Bereich der Station Keeping Aufgabe heraus. Dadurch mussten wir mit RC eingreifen und erhielten nur Teilpunkte.
Bei der Precision Navigation ist das Ziel zwischen zwei nah beieinander liegenden Bojen hindurchzufahren, zwei weitere Bojen zu umrunden und dann wieder durch die Startbojen zu fahren. Unser Boot hatte jedoch offenbar keine Lust auf diese Aufgabe und kehrte nach der Startlinie direkt wieder um. Doof, aber nur ein Team konnte diese Aufgabe überhaupt meistern – das Team, das den Wettbewerb mit großem Abstand gewonnen hat.
Abends ließen wir den Tag gemütlich bei einem Grillabend ausklingen und sammelten neue Energie für die kommenden Herausforderungen.
Mittwoch: Endurance Race
Der dritte Wettkampftag stand ganz im Zeichen des Endurance Races. Bei dieser Herausforderung geht es darum, innerhalb von bis zu sieben Stunden möglichst viele Runden auf einem Kurs von einer nautischen Meile zu fahren, oder zumindest möglichst lange ohne Stopp zu fahren. Nachdem wir aus den Fehlern des Vortags gelernt hatten, nahmen wir zunächst einige Anpassungen an der Regelung vor, um besser autonom navigieren zu können.
Mit wenig Wind starteten wir gut in die erste Runde und konnten die Hälfte der Strecke sogar autonom zurücklegen. Danach wurde es jedoch selbst mit Fernsteuerung so schwierig, dass ein autonomer Abschluss nicht mehr möglich war. Nach etwa drei Stunden schafften wir es schließlich, die erste Runde zu beenden. Da es sehr sonnig war und wir auf dem Wasser (wir waren auf einem Beiboot unterwegs) keinen Schatten hatten, holten wir uns in der Zwischenzeit zumindest alle einen Sonnenbrand.
Auch in der zweiten Runde konnten wir wieder die erste Hälfte autonom fahren, aber die Windverhältnisse waren weiterhin herausfordernd, sodass wir den Rest mit Fernsteuerung bewältigen mussten. Trotz der schwierigen Bedingungen gelang es uns, die Ziellinie mit Ablauf der Zeit zu überqueren und mit unseren zwei Runden den zweiten Platz zu sichern. Unser Erfolg beruhte vor allem darauf, dass wir es geschafft hatten, sehr lange am Stück auf dem Wasser zu bleiben, was ebenfalls bewertet wurde.
Donnerstag: Payload & Präsentationen
Am vierten Wettkampftag standen die Aufgaben Bojen Suche, Payload und Collision Avoidance auf dem Programm. Leider hatten wir an diesem Tag erneut technische Probleme, und die Kommunikation zwischen Computer und Motoren funktionierte nicht. Dadurch konnten wir die Bojen Suche und Collision Avoidance nicht angehen, da diese vollständig auf Autonomie basieren.
Bei der Payload-Aufgabe ging es darum, das Boot mit möglichst vielen Gewichten, prozentual zum Eigengewicht, zu beladen und dann eine Strecke zu fahren. Da die dafür vorgesehenen Gewichte zu groß für unser Boot waren, halfen wir uns mit Steinen vom Ufer und luden 70% des Eigengewichts zusätzlich auf. Damit sicherten wir uns den dritten Platz in dieser Disziplin.
Am Abend standen die Präsentationen der Teams auf dem Programm. Vier Stunden lang stellten alle Teams ihre Projekte vor, was zwar sehr spannend und informativ, aber auch äußerst anstrengend war.
Freitag: Letzter Wettkampftag
Am Freitag fand der dritte und letzte Lauf des Fleet Race statt. Diesmal schafften es mehr Teams ihr Boot an den Start zu bringen. Unser Marlin hatte leider mit den Folgen des Wassereinbruchs an Tag 1 zu kämpfen, deswegen mussten wir die Elektronik noch kurz vor dem Rennen umbauen. Trotzdem, und trotz widrigem Wind, konnten wir bei diesem Rennen den 4. Platz erreichen.
An diesem Tag hätte es noch die Möglichkeit gegeben, das Precision Race zu wiederholen, aber aufgrund unserer anhaltenden technischen Probleme entschieden wir uns dagegen. Stattdessen verbrachten wir lieber einen entspannten Tag am See, um die letzten Stunden des Wettbewerbs in Ruhe zu genießen.
Nachdem wir alles wieder eingepackt hatten, fuhren wir ans Meer, wo die Siegerehrung stattfand. Mit einem insgesamt vierten Platz sind wir sehr zufrieden und blicken auf eine aufregende und lehrreiche Woche zurück. Die Erfahrungen und die neuen Kontakte, die wir in dieser Zeit geknüpft haben, sind von unschätzbarem Wert.
Abschluss der Reise
Nach einem erlebnisreichen Tag in Boston und einem halben Tag in Salem machten wir uns wieder auf den Weg zurück nach Deutschland. Die lange Reise verlief reibungslos, und wir kamen zusammen mit Marlin wohlbehalten in Frankfurt an. Der Weg durch den Flughafen Frankfurt, nach Darmstadt, bis zu unserem Raum war, übermüdet und mit unserer schweren Holzkiste, zwar etwas anstrengend, aber auch das haben wir geschafft.
Fazit
Die Woche war für uns sehr spannend und lehrreich. Die Atmosphäre war durchweg angenehm, und zahlreiche neue Ideen sammeln und wertvolle Kontakte knüpfen. Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr wieder dabei sein können – vorausgesetzt, wir finden die nötigen Sponsoren. Die Herausforderungen und Erfolge dieses Jahres haben uns motiviert, weiterhin an unseren Projekten zu arbeiten und uns kontinuierlich zu verbessern.